Vom Vorteil, schwerhörig zu sein

Diese kleine Geschichte drückt so anschaulich aus, dass es Situationen gibt, in denen wir auf die Unterstützung anderer angewiesen sind – und dass Mitleid (im Unterschied zum Mitgefühl) oft schadet.

Mitleid sagt dem anderen: “Du bist ein armer Schlucker, vom Schicksal schwer geschlagen. Da kann man wohl nichts machen und du musst dich damit wohl abfinden”. Solches Mitleid zieht nach unten, macht den anderen klein und hilflos. Man kann nur noch passiv abwarten. Man bedauert den anderen. Beim Mitleid hüpft man gleichsam geistig selbst in das tiefe Loch und jammert gemeinsam. Am Schluss leiden beide.

Ganz anders das Mitgefühl. Die äussere Situation ist gleich; an ihr ändert sich nichts. Man fühlt mit dem anderen, hüpft jedoch nicht selbst ins Loch. Vielleicht macht einen die Situation selbst sprachlos – aber man bleibt an der Seite des anderen und fühlt mit. Man stärkt dem anderen den Rücken, indem man schaut, was dem anderen im Moment am besten hilft. Ich habe oft erlebt, dass Menschen in fast ausweglosen Situationen ihre Lage sehr realistisch einschätzen und fast dankbar sind, wenn der Ernst der Situation nicht durch ‘billigen’ Trost und oberfläch­liche Hoffnungs­wünsche, an die man selbst nicht glaubt, kleingeredet wird. Manchmal hilft dann ein einfühlsamer Händedruck, ein gemeinsamer Moment der Stille oder gemeinsame Tränen mehr als viele Worte. 

Manchmal berichten Medien über Menschen, die z.B. nach einem Unfall behindert oder auf einen Rollstuhl angewiesen sind und doch ihr Leben (trotz der dunklen Momente, die es gibt) als sinnvoll empfinden. Auch ich durfte einigen Menschen in ausweglosen Situationen begegnen – meist waren es unheilbare und tödlich verlaufende Krankheiten oder sehr schwere Behinderungen – die mich beeindruckt haben, wie sie mit ihrem Schicksal umgehen. Offenbar gibt es kaum Schicksalsschläge, die ein Aufstehen und Weiter­gehen unmöglich machen. Die Situation selbst ist manchmal nur schwer auszuhalten und nicht zu verändern, aber die Einstellung zur Situation, die können wir ändern. Der Sinn des Lebens hängt nicht von äusseren Gegeben­heiten ab.
Manchmal fühle ich mich nach der Begegnung mit einer Person, die ihre überaus schwierige Situation auf geradezu vorbildliche Weise meistert, sogar irgendwie beschenkt und gestärkt.

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